01.
Das Wichtigste in Kürze
02.
Atomkraft kann laut EU-Parlament nachhaltig sein
03.
Welche Gründe hat der Beschluss zur grünen Atomkraft?
04.
Was bedeutet die grüne Atomkraft für Unternehmen und Anleger?
05.
Wer steht wie zur grünen Atomkraft in Europa?
06.
Laute Kritik an der grünen Atomkraft

Das Wichtigste in Kürze
- Ab Januar 2023 können Gas- und Atomkraftwerke in der EU als klimafreundlich eingestuft werden.
- Das EU-Parlament hat den Weg dafür geebnet, im Rahmen nachhaltiger Geldanlagen auch in Atomkraft- und Gaskraftwerke zu investieren.
- Massive Fürsprecher waren Frankreich und Finnland. Deutschland schätzt Atomkraft weiterhin nicht als nachhaltig ein, fügt sich aber dem Beschluss.
- Für 80 % der Deutschen sind Geldanlagen in Atomkraft weiterhin nicht nachhaltig.
- Es gibt massive Kritik seitens zahlreicher Umweltverbände, die den Beschluss als Greenwashing betrachten.
Atomkraft kann laut EU-Parlament nachhaltig sein
Anfang Juli 2022 hat das EU-Parlament per Mehrheitsbeschluss bestimmte Gas- und Atomkraftwerke ab Januar 2023 als klimafreundlich eingestuft. Die umstrittene EU- Taxonomie soll möglichst viel – auch privates – Kapital in ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten lenken. Ziel: Die Reduzierung umweltschädlicher Treibhausgase mittels grüner Atomkraft und Gas. Das ist allerdings hoch umstritten. Ein Überblick über die aktuelle Situation.
Welche Gründe hat der Beschluss zur grünen Atomkraft?
Bereits vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges stand das Vorhaben der EU, bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltig einzustufen, in der Kritik. Der Krieg und die geopolitische Gesamtlage haben die Diskussion weiter befeuert, weil nun nicht mehr ausschließlich die Nachhaltigkeit Kriterium des Risikomanagements in der Finanzwirtschaft sein soll. Auch die Abhängigkeit von russischen fossilen Energien soll möglichst schnell drastisch reduziert werden.
Doch weder Gas- noch Atomkraftwerke entsprechen den von der EU vorgegebenen ESG-Kriterien. Dennoch haben statt der nötigen 353 Parlamentarier nur 278 gegen den Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie gestimmt und damit beide Technologien als nachhaltig eingestuft. Der Grund: Beide Energiequellen gelten als Brückentechnologien auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung, weil sowohl Atomenergie als auch Gas weniger Treibhausgase als Kohlekraftwerke verursachen. Dementsprechend gibt es in Europa eine neue Generation von Atomkraftwerken, in die nach EU-Einschätzung bis 2050 Investitionen von 500 Milliarden Euro fließen müssen. Es ist also beschlossen: Atomkraft gilt als nachhaltige Energie.
Was bedeutet die grüne Atomkraft für Unternehmen und Anleger?
Wer sein Geld – wie von der EU empfohlen – möglichst nachhaltig und entsprechend den ESG-Kriterien anlegen will, um Umwelt und Ressourcen zu schonen, muss zukünftig damit rechnen, dass auch grüne Fonds in Gas- und Atomkraftwerke investieren.
Zudem können Energiekonzerne und Stadtwerke ab 2023 grüne Anleihen ausgeben, um Geld für ihre neuen Gas- oder Kernkraftwerke einzusammeln. Atomanlagen bekommen ein Ökosiegel, wenn ihr Bau vor dem Jahr 2045 genehmigt wird. Und auch eine Nachrüstung alter Meiler gilt bis 2040 als nachhaltig. Ab 2050 muss dann ein Plan zur Endlagerung des strahlenden Atomabfalls vorliegen. Für Gaskraftwerke gilt: Sie dürfen vorgegebene CO2-Grenzwerte nicht überschreiten, um die noch klimaschädlicheren Kohlekraftwerke zu ersetzen. Zudem müssen sie bis 2035 auf klimafreundlichere Energieträger wie Wasserstoff oder Biogas umgerüstet werden.
Wer steht wie zur grünen Atomkraft in Europa?
Mit der Entscheidung für grüne Atomkraft gab die EU dem Druck einiger Mitgliedsstaaten – allen voran Frankreich – nach. Frankreich, das seinen Strom zu 70 % aus Kernkraft gewinnt, sieht in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine nachhaltig agierende Wirtschaft. Auch Finnland ist zufrieden mit dem EU-Beschluss. Für einige andere EU-Länder, wie etwa Polen, ist Gas das kleinere Übel im Vergleich zur Kohle. Auch Deutschland setzte sich dafür ein, Gas als Übergangstechnologie mit Öko-Label auszuweisen – auch wenn mit der Energiegewinnung per Erdgas der Ausstoß von Treibhausgasen verbunden ist. Klagen wird die deutsche Bundesregierung jedoch nicht gegen den Beschluss der EU-Kommission – auch wenn man hier weiterhin die Position vertritt, dass Kernenergie nicht nachhaltig sei. Anders Österreich und Luxemburg: Beide Länder haben Klagen angekündigt, deren Erfolgsaussichten jedoch als sehr gering eingeschätzt werden.
Laute Kritik an der grünen Atomkraft
Für 80 % der Deutschen sind Geldanlagen in Atomkraft nicht nachhaltig. Das ergab im August 2021 eine repräsentative Umfrage der Bürgerbewegung Finanzwende. Und auch so gut wie alle Umweltverbände üben massive Kritik. Denn die EU-Taxonomie als Werkzeug, um Finanzflüsse tatsächlich in nachhaltige Aktivitäten zu lenken, verliere damit komplett an Glaubwürdigkeit. Nach Ansicht der Kritiker hat die EU-Kommission damit Greenwashing salonfähig gemacht.
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